Gesetzliche Intention und Rechtswirklichkeit im Konflikt – zur Einziehung von Kryptowährungen

12.03.2022

Die vielfältigen rechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit Kryptowährungen stehen, sind bislang sowohl von einer legislativen als auch juristischen Lösung weit entfernt. 

Dass Kryptowährungen mit unserem Rechtssystem (noch) nicht kompatibel sind, zeigt sich nicht nur am Steuer- oder Zivilrecht, in welchem bereits seit längerem ein § 90b BGB gefordert wird, der Kryptowährungen den Sachen gleichstellt.

Auch im Strafrecht lässt sich von Strafbarkeitslücken über Probleme im Ermittlungsverfahren bis hin zu Rechtsfolgeproblematiken erkennen, dass eine nicht modifizierte gesetzliche Konzeption den mit Kryptowährungen verbundenen, neuartigen Problemen nicht gerecht wird.

 

 

Das in den §§ 73 ff. StGB geregelte Einziehungsrecht verfolgt den Zweck, u.a. illegale Taterträge beim Täter abzuschöpfen und folgt damit dem Motto „crime must not pay“ – Verbrechen sollen sich nicht lohnen – der Täter solle nach der Tat unter keinen Umständen besser stehen als zuvor.

Wenn ein Täter durch eine rechtswidrige Tat, bspw. durch einen Betrug, Kryptowährungen erlangt, sollen idealerweise ebendiese vollständig über die sogenannte Originaleinziehung nach §§ 73 Abs. 1, 75 Abs. 1 StGB eingezogen werden. So entschied es auch der BGH bereits im Jahre 2017 für Bitcoin (BGH 1 StR 412/16), wobei dies, insbesondere bei genauerer Betrachtung der Gesetzeslage, jedoch vom Ergebnis her gedacht zu sein scheint, sodass sich Teile der rechtswissenschaftlichen Literatur kritisch zu dieser Entscheidung äußerten und für die Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB plädierten – anders als bei der Originaleinziehung kommt es bei dieser zur Einziehung des Geldwerts des Erworbenen, welcher wie eine Geldstrafe beigetrieben wird.

 

Einziehungsrecht

Die Kernproblematik entspringt der zentralen Rechtsfolgenvorschrift des Einziehungsrechts, dem § 75 Abs. 1 StGB.

Dieser ordnet den Eigentums- oder Rechtsübergang des illegal Erworbenen an; da Kryptowährungen in Ermangelung ihrer Sacheigenschaft nicht eigentumsfähig sind und diese aufgrund des Umstands, dass man aus dem bloßen Haben bzw. Halten von bspw. Bitcoin keinen Anspruch und auch kein sonstiges Recht ableiten kann, auch kein Recht darstellen, lassen sie sich zumindest prima facie nicht unter die Rechtsfolge des § 75 Abs. 1 StGB subsumieren.

Des Weiteren wird neben vielen anderen Argumenten auch angeführt, dass es die technische Beschaffenheit von Kryptotoken, welche auf Grundlage sogenannter utxos operieren, nicht zulässt, denselben Token von der einen auf die andere wallet zu transferieren. Vielmehr fände technisch im Ergebnis ein Verbrauch und eine damit verbundene Vernichtung des utxo (und damit des eigentlichen Wertes des Tokens) auf der Absenderadresse und eine um die Höhe der Transaktionsgebühren geminderte Neugenerierung hiervon auf der Empfängeradresse statt, was eine Einziehung von ebendiesem inkriminierten Token unmöglich machen soll. Aus diesen Gründen wird die vom BGH vorgesehene Originaleinziehung teilweise abgelehnt – mit der Folge, dass lediglich der umgerechnete Geldwert der erworbenen Kryptowährungen über § 73c StGB einzuziehen sei.

Crime must not pay

Unabhängig davon, welche Lösung man präferiert, wird die gesetzliche Konzeption des Einziehungsrechts seinem eigenen Anspruch („crime must not pay“) nicht gerecht:

Wenn man die Kryptowährung im Original einziehen wollte, stellt sich das Problem der Umsetzbarkeit – wenn die Behörden nicht an die keys herankommen, könnte der Täter die Vollstreckung durch Nichtpreisgabe dieser oftmals verhindern – so kam es im besagten BGH-Fall nach mittlerweile über vier Jahren aus ebendiesem Grund zu keiner Vollstreckung.
Der Wertersatzeinziehung dürfte demgegenüber regelmäßig das praktische Problem innewohnen, dass das erworbene Kryptovermögen und die damit einhergehende Einziehungssumme (nicht selten immerhin fünf- bis sechsstellige Beträge) das sonst vollstreckbare Vermögen um einiges übersteigt; auch hier käme der Täter im Ergebnis mit seinem unangetasteten Kryptovermögen und somit mit Profit davon.
Außerdem muss bei der Wertersatzeinziehung auf einen bestimmten, für die Wertbemessung entscheidenden Moment abgestellt werden, wofür nach jüngerer Rechtsprechung der Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit genommen wird. Bei zwischenzeitiger Wertsteigerung der Kryptowährung käme der Täter sehenden Auges mit Profit davon, was eine weitere Kollision mit dem Sinn und Zweck des Einziehungsrechts darstellt.

  

Fazit

Bereits am Beispiel Bitcoin zeigt sich also, dass der gesetzliche Anspruch der §§ 73 ff. StGB im Falle von Kryptowährungen an seine Grenzen kommt; bei anderen Kryptowährungen sind die einziehungsrechtlichen Probleme um einiges gravierender.

 

Von wiss. Mit. Chingiz Machitadze und Rechtsanwalt Martin Figatowski, LL.M. (Tax)




Weitere News:


Alle News anzeigen