Sind Bitcoin, Ethereum, Ripple, Polkadot und Co. überhaupt Wirtschaftsgüter i.S.v. § 23 EStG? - steuerliche Konsequenzen für Privatanleger aus dem aktuellen Beschluss des Finanzgerichts Nürnberg

01.11.2020

 

In einem Beschluss vom 08.04.2020 (3 V 1239/19) hat das Finanzgericht Nürnberg einen Steuerbescheid, in dem Veräußerungsgewinne aus Kryptowährungen erfasst waren, vorläufig ausgesetzt.

Das Finanzamt hatte den Gewinn aus dem An- und Verkauf von Kryptowährungen einfach übernommen und insbesondere nicht ermittelt, mit welchen der zahlreichen Kryptowährungen gehandelt, welche Vorgänge als An- bzw. Verkauf qualifiziert und wie genau der Zeitpunkt der Vorgänge ermittelt wurde.
Das Finanzgericht Nürnberg lies ferner offen, ob es sich bei der Veräußerung einer "Kryptowährung" überhaupt um die Veräußerung eines (anderen) Wirtschaftsgutes im Sinne des § 23 EStG handelt.

Die rechtliche Einschätzung des Finanzgericht Nürnberg ist zutreffend. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (in Verbindung mit § 22 Nr. 2 EStG) liegt ein privates Veräußerungsgeschäft grundsätzlich nur vor, wenn ein Wirtschaftsgut innerhalb eines Jahres ab Anschaffung wieder veräußert wird.

Ob es sich bei Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum, Ripple, Polkadot usw. jedoch tatsächlich um Wirtschaftsgüter im Sinne des § 23 EStG handelt, ist nicht so einfach zu beantworten. Denn angesichts derzeit 7567 verschiedenen Kryptowährungen (Stand 01.11.2020), davon über die Hälfte ohne erkennbare Marktkapitalisierung, wird auch das Finanzamt nicht ernsthaft vertreten, dass es sich bei einer Kryptowährung stets um ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 23 EStG handelt.

Welche steuerlichen Konsequenzen sollten Privatanleger nunmehr aus dem Beschluss des Finanzgerichts Nürnberg ziehen?

Steuerpflichtige Anleger, die relevante Veräußerungsgewinne (oder auch Verluste) im Zusammenhang mit Kryptowährungen erzielt haben, sollten in jedem Einzelfall selbst oder mit Hilfe eines auf die Besteuerung von Kryptowährungen spezialisierten Berater prüfen, ob sie den Steuerbescheid durch das Finanzamt „hinnehmen“ möchten.
Gerade bei einer Vielzahl von Krypto-Trades oder beim Tausch verschiedener Kryptowährungen in einem Veranlagungszeitraum bestehen eine ganze Reihe von Bewertungsproblemen, die im Zweifel durch die Finanzverwaltung eher profiskalisch gelöst werden. Daneben stellt sich ganz grundsätzlich die hier diskutierte Frage, ob Kryptowährungen pauschal Wirtschaftsgüter nach § 23 EStG darstellen.

Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung dieser Frage, sollte daher ein Einspruch gegen Krypto-Steuerbescheide sowie ggf. ein Antrag auf Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO in Betracht gezogen werden.

 

von Martin Figatowski, LL.M. (Tax)




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